Quo vadis Hirschaid?
Ein Kommentar von Sarah Eisenberger, Sprecherin des Grünen Ortsverbandes Hirschaid
Eine Medaille hat bekanntermaßen zwei Seiten. In Hirschaid zeigt sich dies im Moment am Bauvorhaben "Frischemanufaktur" - von uns ganz einfach Wurstfabrik genannt. Es gibt die eine Seite der Befürworter, die in diesem Vorhaben eine Entwicklungschance für unserer Marktgemeinde sehen, und dann gibt es noch eine Gruppe engagierter Bürger*innen, die sich dieser Wurstfabrik in den Weg stellen. Die Bürgerinitiative, die sich daraus gegründet hat, setzt private Mittel ein, um sich dabei Gehör zu verschaffen und ihre Argumente vorbringen zu können. Der Konzern Edeka dagegen scheut keine Mühen und Kosten (auch nicht an der Wurst wird gespart), um die Hirschaider*innen von sich zu überzeugen. Es erinnert schon sehr an David gegen Goliath...
So weit so gut: zwei Seiten einer Medaille eben. Nun musste ich aber tatsächlich feststellen, dass zumindest in Hirschaid die Medaille vier Seiten hat. Das hat mich zuerst einmal sehr irritiert. Klar, die ersten zwei Seiten sind Pro bzw. Kontra Wurstfabrik. Da entscheiden die Hirschaider*innen am 30.01.2022. Und dann geht es je nach Entscheidung in die eine oder andere Richtung.
Die anderen beiden Seiten der Medaille sind schwieriger zu fassen, haben aber immense Auswirkungen auf unsere Marktgemeinde. Sie stehen nämlich für den Umgang der verschiedenen Lager miteinander. Und da hat sich etwas eingeschlichen, was ich nicht für möglich gehalten habe: Angefangen von Diffamierungen und Verbreiten von Unwahrheiten, persönlichen Beleidigungen bis hin zu öffentlichen Posts anderer Parteien, die die Grünen in Hirschaid kriminalisieren. Diese Seiten der Medaille wiegen schwer. Über diese wird nämlich nicht am 30.01.2022 abgestimmt, sie sind einfach da und vergiften das konstruktive Miteinander in Hirschaid. Es ist in einer Demokratie wichtig, verschiedener Meinung zu sein, sich gegenseitig mit unterschiedlichen Visionen zu bereichern und dann gemeinsam konstruktiv die Zukunft zu gestalten. Unsere Demokratie erlebt in diesen Tagen so viele Anfeindungen. Wie wichtig ist es daher, dass demokratische Parteien trotz verschiedener Vorstellungen gemeinsam einen Umgang auf Augenhöhe - mit Respekt, Toleranz und Akzeptanz pflegen. Auch und gerade in Situationen, in denen die Meinungen stark auseinandergehen. Denn Meinungsmehrheit ist nicht Meinungsmonopol! Und die Fähigkeit, mit anderen Meinungen und Kritik professionell umzugehen, sollten demokratische Parteien besitzen...
Ich hoffe sehr, dass es allen gelingt, nach dem 30.01.2022 - egal wie der Bürgerentscheid ausgeht - wieder konstruktiv zusammenzuarbeiten.
FAKTEN-Check:
"Leider sind nicht alle an einer sachlichen Aufklärung interessiert. So haben wir beispielsweise im Vorfeld einer Veranstaltung des Ortsverbands der Grünen in Hirschaid am 12.01.2022 gegenüber den angekündigten Gästen...unsere Teilnahme an der Veranstaltung angeboten. Beide Angebote blieben leider unbeantwortet." Anzeige EDEKA im aktuellen Marktgemeindeblatt
Der Grüne Ortsverband hat sich bereits Anfang 2021 mit dem Bauvorhaben innerhalb unserer monatlichen Stammtische und Vorstandssitzungen auseinandergesetzt. Zu diesen haben wir öffentlich eingeladen, um uns auch mit anderen Standpunkten dazu auseinanderzusetzen. Das zeigt deutlich unser Interesse an Austausch.
Die besagte Veranstaltung nun war sowohl im Gemeindeblatt als auch auf unserer Website und Social Media zu finden, so dass einer Teilnahme nichts im Wege stand. Weder der Grüne Ortsverband als Veranstalter hat eine Mail mit einem Gesprächsangebot oder einem Teilnahmewunsch erhalten, auch MdL Ursula Sowa (als ein solcher angekündigter Gast) hat auf Nachfrage keine entsprechende Anfrage bekommen.
Warum EDEKA solche Behauptungen aufstellt, ist mir persönlich ein Rätsel. Fair geht anders!
Aber gut, es handelt sich letztlich um einen Konzern, der seine eigenen Interessen verfolgt. Viel schwerwiegender wiegen dagegen die Anfeindungen von Vertreter*innen anderer demokratischer Parteien in Hirschaid:
"Grüne schüren aktuell durch Fehlinformation und Weltuntergangsszenarien Angst in Hirschaid. (...) helfen Sie uns, solchen Menschen das Handwerk zu legen!" Facebook-Post der Jungen Union Hirschaid
Weder verbreiten wir Grüne Fehlinformationen, noch rennen wir schreiend in Hirschaid umher, der Himmel falle uns auf den Kopf. Wir setzen uns lediglich mit dem Bauvorhaben kritisch auseinander und kommen zu einem andern Ergebnis. Das ist alles! Uns dafür aber zu kriminalisieren - die Redewendung "jemandem das Handwerk legen" impliziert, dass eine kriminelle Handlung vorausging - ist unfassbar! Solche Methoden kenne ich von keiner demokratischen Partei! Sprachlos macht mich dabei auch, dass dieser Post von unserer 2. Bürgermeisterin geliked wurde. Welches Demokratieverständnis steckt da bitte dahinter???
Verwundert hat mich auch ein Facebook-Post, dass MdB Thomas Silberhorn, MdL Holger Dremel und stellvertretender Landrat Johannes Maciejonczyk sich vor Ort ein Bild gemacht haben. Nicht falsch verstehen, wir Grüne haben auch Vertreter*innen unserer Kreistagsfraktion und Landtagsfraktion zu einem Austausch eingeladen. Das wurde dann aber als Einmischung Dritter empfunden. Nicht so bei der anderen Seite, hier handelt es sich ja schließlich nur um einen Besuch. Unser Bürgermeister bringt das in einem Kommentar auf den Punkt:
"Bis zur Auswertung der Bürgerentscheide ist das aber Sache der Kommune aus der sich externe Politik herauszuhalten hat. Nicht so wie bei den GRÜNEN, die sich in alles mit Verboten und Verhinderungen einmischen." Kommentar zu einem Facebook-Post über den Besuch der Polit-Prominenz
Die Grünen als Verbotspartei??? Die Entscheidung über das Bauvorhaben treffen die Hirschaider*innen ganz alleine. Kein Grüner verbietet es den Bürger*innen, sich für die Wurstfabrik zu entscheiden. Und ganz ehrlich: Gerade in der Kommunalpolitik ist es meiner Meinung nach wichtig, auch mal über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich mit anderen Gemeinden zu vernetzen. Da kann der Kreistag unabhängig einer Fraktionszugehörigkeit sehr wohl den eigenen Horizont erweitern...